Elmar Brok,

dienstältester Europaparlamentarier,

spricht bei den Christdemokraten in Rheinstetten-Mörsch

Rheinstetten. Seit beinahe vier Jahrzehnten ist Elmar Brok gewählter Abgeordneter im Europäischen Parlament doch eine derart unübersichtliche Situation wie während der aktuellen Brexit-Debatte hat der 72-jährige CDU-Politiker noch nicht erlebt. „Die ewigen Verhandlungen über den Brexit sprengen wirklich alle Vorstellung“, sagt Brok mit einem Kopfschütteln. Allerdings habe er ein derartiges Chaos fast schon erwartet. „Seit den Neuwahlen gibt es im britischen Parlament eigentlich keine Mehrheit mehr“, beschreibt der Vorsitzende des EU-Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten die Situation auf der Insel.

„Und deshalb war fast klar, dass es zu keiner Einigung kommt“. Dass die einzelnen Parteien nicht mehr miteinander reden würden, sei allerdings selbst für einen erfahrenen Europapolitiker schwer verständlich. „Das britische Parlament hat sicherlich seine Besonderheiten“, so Brok. Aber derzeit mache es einen vorsintflutlichen Eindruck und erinnere in seiner Skurrilität im besten Fall an einen schlecht konstruierten Rosamunde-Pilcher Film.

Auf Einladung des CDU-Ortsverbands Rheinstetten berichtet der dienstälteste Europaparlamentarier in Mörsch von den aktuellen Entwicklungen bei den Brexit-Verhandlungen. Dass in London zeitgleich über mögliche Szenarien für einen Brexit verhandelt wird, hat der Rechtswissenschaftler bereits auf der Zugfahrt von Straßburg nach Rastatt mit großen Interesse verfolgt. „Eigentlich haben die Engländer nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder sie stimmen dem Deal zu oder sie schieben den Brexit noch einige Jahre hinaus“, betont der Ostwestfale. Was er auf keinen Fall wolle, sei eine Verlängerung der Verhandlungen über den Tag der Europawahlen hinaus. „Wenn die Briten auch nach den Wahlen noch in der EU sind, würde das die Legitimation des Parlaments in Frage stellen“, so Brok, der keinen Hehl daraus macht, dass er mit dieser Haltung auch die Brexit-Hardliner unter Druck setzen will. „Wenn sie dem Deal nicht zustimmen, wird das noch eine lange Hängepartie“, prognostiziert Brok, und am Ende eines solchen Prozesses könne dann auch ein neues Referendum stehen. Dass laut den aktuellen Umfragen rund 55 Prozent der Briten eigentlich lieber in der EU bleiben wollen, dürfte den extremen Brexit-Befürwortern seiner Einschätzung nach allerdings nicht gefallen.

Dass sich die Briten überhaupt für einen Austritt aus der EU entschieden haben, kann der erfahrene Europaexperte bis heute noch nicht richtig verstehen. „Dass man einen Austrittsantrag stellt und keine Ahnung hat, wie das gehen soll, ist schon kurios“, so Brok. Allerdings hätten die Brexit-Befürworter die Bevölkerung mit einer „aufgeblasenen und emotionalen Lügenkampagne“ regelrecht aufgeheizt und im Gegenzug hätten die Gegner eines Austritts die Situation vollkommen unterschätzt.

Während im britischen Parlament noch während des kurzweiligen Vortrags über die Wege zu einem geordneten Brexit gestritten wird, hebt der Christdemokrat die Geschlossenheit der EU hervor. „Die Europäische Union ist keineswegs instabil“, stellt Brok klar. Seit dem britischen Antrag auf den Austritt aus der EU hätten sich die 27 Mitgliedsstaaten auf eine Linie verständigt und diese Linie werde bis heute konsequent verfolgt. Nach Broks Einschätzung haben die britischen Parlamentarier nicht einmal das Recht, über den ausgehandelten Deal abzustimmen. „Das Europäische Parlament hat auch in dieser Sache das letzte Wort. „Wenn wir nein sagen, kommt die Sache nicht zustande“, so Brok. Ob die Engländer langsam aber sicher Muffensausen bekommen und am Ende aus Angst vor den wirtschaftlichen Folgen doch noch zurückrudern, darüber will Brok lieber nicht spekulieren. „Wer in diesen Tagen zehn Minuten lang keine Nachrichten hört, liegt meistens schon wieder falsch“, sagt Brok. Aber eines stehe bereits heute fest. „Die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit werden wir auch in Deutschland spüren. Aber für die Briten wird es noch viel schlimmer werden.“ Ekart Kinkel.

Bericht mit freundlicher Genehmigung der BNN